Ex-UNO-Spitzendiplomatin: Österreich "ganz stark profiliert"
Description
Die frühere UNO-Untergeneralsekretärin Angela Kane hat Österreich zum 70. Jahrestag seiner Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen ein gutes Zeugnis ausgestellt. “Vor allem in Abrüstungsfragen hat sich Österreich ganz stark profiliert”, sagte die deutsche Diplomatin im APA-Interview. Sie verwies etwa auf die federführende Rolle beim Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) oder aktuell in den Verhandlungen über einen Vertrag zur Regelung von KI-Waffensystemen.
Das diesbezügliche Engagement Österreichs werde auch “sehr geschätzt”, etwa im globalen Süden. “Aber natürlich nicht von Ländern wie den USA”, fügte die frühere UNO-Abrüstungsbeauftragte hinzu. Auch im Menschenrechtsbereich seien einzelne österreichische Diplomaten wie etwa Menschenrechtskommissar Volker Türk sehr profiliert, so Kane, die 37 Jahre lang UNO-Diplomatin war – unter anderem auch im Kabinett des früheren österreichischen Generalsekretärs Kurt Waldheim (1971-81).
Ansiedlung weiterer Abrüstungs-Büros in Wien “logisch”
Österreich solle innerhalb der UNO danach streben, “das zu erhalten, was man geschaffen hat”, sagte Kane mit Blick auf den UNO-Sitz Wien. So könnte man versuchen, weitere Büros der Vereinten Nationen aufzunehmen – etwa aus New York oder Genf. So wäre es “logisch”, das UNO-Büro für die Abrüstung von biologischen Waffen aus Genf nach Wien zu übersiedeln, wo schon mehrere einschlägige Organisationen angesiedelt sind.
Wien habe sich als UNO-Sitz nicht nur wegen der österreichischen Neutralität und der UNO-City etabliert, sondern auch wegen der niedrigeren Personalkosten. New York und Genf seien nämlich schon damals “sehr teuer” gewesen. Wegen der an die jeweiligen Lebenshaltungskosten angepassten Gehälter habe das “einen großen Unterschied” gemacht. Auch bei den UNO-Beamten sei Wien “sehr beliebt” gewesen. “Man hat hier weniger Stress als in New York”, so Kane, die sich nach ihrer UNO-Karriere ebenfalls in Wien niedergelassen hat.
Golan-Abzug “schon ein Schock”
Dass Österreich sein Engagement für die Blauhelm-Truppen in den vergangenen Jahren deutlich reduziert habe, sei in New York “sehr bedauert” worden. “Das war schon ein Schock”, sagte sie zum überstürzten Abzug des Bundesheers von den Golanhöhen nach fast vier Jahrzehnten im Einsatz. “Es war nicht sehr einfach Ersatztruppen zu finden, vor allem aus europäischen Ländern.”
An einen Rückzug der USA aus den Vereinten Nationen glaubt Kane nicht. US-Präsident Donald Trump wolle nämlich das Vetorecht im Sicherheitsrat nicht aufgeben. Stattdessen werde er weiterhin darauf setzen, die UNO “auszuhungern”. Allerdings sei nicht nur Washington mit Beitragszahlungen im Verzug, auch Russland und China zahlten nicht pünktlich. Die Folgen machten sich bereits bemerkbar, etwa in Form von kaputten Aufzügen oder geschlossenen Eingängen, um Sicherheitspersonal zu sparen.
Deutschland als Zahler bei UNO-Mitgliedern “sehr beliebt”
Hingegen sei Deutschland wegen seiner Zahlungen außerhalb des regulären Budgets bei anderen UNO-Mitgliedern “sehr beliebt”, sagte Kane. Dass Deutschland und Österreich bei der Wahl eines nicht-ständigen Mitglieds im UNO-Sicherheitsrat gegeneinander antreten bezeichnete sie als “unglücklich”. Sie ließ dabei Kritik an ihrem Heimatland durchblicken. “Es ist ungewöhnlich, dass man so schnell hintereinander kandidiert”, sagte sie mit Blick auf die Mitgliedschaft in den Jahren 2019/20.
Für die beiden frei werdenden westeuropäischen Sitze kandidieren kommendes Jahr Deutschland, Österreich und Portugal. Kane sprach sich vor diesem Hintergrund dafür aus, dass sich die potenziellen Kandidaten schon im Vorfeld verständigen – ähnlich wie dies etwa die lateinamerikanischen Staaten tun.
Für eine Frau als Nachfolgerin von UNO-Generalsekretär Guterres
Im Rennen um die Nachfolge von UNO-Generalsekretär António Guterres wünscht sich die Spitzendiplomatin ein Ende der jahrzehntelangen Männerdominanz. “Seit 80 Jahren ist nie eine Frau dran gewesen. Ich glaube, dass es jetzt an der Zeit ist”, sagte sie mit Blick auf die neun Generalsekretäre seit 1945. Schon vor zehn Jahren habe es “gute Frauen” im Kandidatenfeld gewesen “und ich hoffe, dass es auch diesmal so sein wird”. In Stellung gebracht hat sich der Chef der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), Rafael Grossi. Der Argentinier könnte aber laut Kane mit Virginia Gamba Konkurrenz aus dem eigenen Land bekommen, und er will sich auch nicht an die Empfehlung einer Sicherheitsrats-Arbeitsgruppe halten, sein UNO-Amt während der Kandidatur ruhend zu stellen – anders als die bisherige Generalsekretärin für UNO-Konferenz für Handel und Entwickung (UNCTAD), Rebecca Greenspan.
Vorschlägen für eine tiefgreifende UNO-Reform gibt Kane wenig Erfolgsaussichten. Vor 20 Jahren sei man einer Reform des UNO-Sicherheitsrates sehr nahe gewesen, erinnert sich Kane. Gescheitert sei sie damals daran, dass die afrikanischen Staaten auf einem Vetorecht im mächtigsten UNO-Gremium beharrt hätten. Mittlerweile würden sich die fünf traditionellen Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien gegen jegliche Reform stemmen. “Das kriegt man nicht durch”, so Kane.
(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)
(APA)




